BOB Verkehrsexperte widerspricht NOZ Bericht und Ralf Lieder (Fachdienst Verkehrsanlagen) zur Verkehrssituation in Osnabrück: Ursachen der Staus sind hausgemacht!

Der Leiter des Fachdienstes Verkehrsanlagen der Stadt Herr Lieder behauptet, der Längenzuwachs des Autos sei für die mangelnde Leistungsfähigkeit der Lichtsignalanlagen und damit für den innerstädtischen Verkehrskollaps ursächlich verantwortlich. 
 
Dem widerspricht unser Experte Reimer Thiessen (Verkehrsplaner / Dipl.-Ing. (TU) vehement: Erstens ist die Begründung schon mathematisch grob falsch: wenn die Autos denn tatsächlich seit den 70er Jahren um 25% länger geworden sein sollten, müsste bei einer angenommen Pkw-Durchschnittslänge von 4,00 m in den 70er Jahren diese heute dann 5,00 m betragen (+25%). Auf einem Nettostauraum von 20 m Länge hätten dann – ohne Berücksichtigung der Abstände zwischen den Fahrzeugen (= Bruttostauraum) – nur noch 4 statt vorher 5 Pkw Platz. Das entspricht einer Reduzierung um 20% – und nicht um 25%!
 
Zweitens ist die Annahme, dass die Pkw-Durchschnittslängen seit den 70er Jahren dermaßen zugenommen hätten, stark übertrieben: ein Kleinwagen wie z. B. ein VW Golf ist von 3,71 m auf 4,26 m Länge (+ 15%) gewachsen, ein Mittelklassewagen wie Audi 100 / A6 von 4,64 m auf 4,92 m (+ 6%), ein Oberklassewagen wie Mercedes S-Klasse von 4,96 m auf 5,12 m (+ 3%). Also als Mittelwert bei weitem keine 25%!
 
Drittens ergibt sich die Leistungsfähigkeit von Lichtsignalanlagen gemäß „RiLSA“ (Richtlinien für Lichtsignalanlagen) und marktüblichen EDV-Simulationsprogrammen für LSA-Leistungsfähigkeitsuntersuchungen gar nicht primär aus der Fahrzeuglänge, sondern insbesondere aus der Anzahl und der sog. „Fahrzeugfolgezeit“ (i. d. R. 2,0 sec. / Pkw)  der vor einer Ampel wartenden „Pkw-Einheiten” – und wie gut die Signalprogramme der spezifischen Hauptverkehrszeiten auf die jeweilige Knotenpunkts-Konfiguration und die unterschiedlich starken Verkehrsströme an den einzelnen Knotenpunkts-Zufahrten zugeschnitten sind.
 
Die wahren Ursachen für den Verkehrskollaps in Osnabrück sind doch andere: Wenn der Kfz-Bestand in Osnabrück allein in den letzten 10 Jahren um 15% gestiegen ist, dann kann eine Verknappung des Verkehrsraumes für den Kfz-Verkehr nicht die richtige verkehrsplanerische Antwort sein –  zumindest dann nicht, wenn für die über 70.000 Berufspendler in Osnabrück bislang keine zuverlässigen, leistungsfähigen und attraktiven Alternativen im ÖPNV und Radverkehrssektor vorhanden sind! Insbesondere darf man sich dann nicht über Staus im gesamten Straßenhauptnetz wundern, wenn die wichtigste innerstädtische Ost-West-Verkehrsader,  nämlich die Achse Wittekindstraße – Neumarkt – Neuer Graben, für den Kfz gesperrt wird und der verdrängte Kfz-Verkehr sich u. a. auf den ohnehin schon überlasteten Wallring verteilt. Zumal wenn noch zahlreiche unkoordinierte Baustellen für zusätzliche Engpässe sorgen! Wenn dann noch von Tempo-30 in Hauptverkehrsstraßen oder der Reduzierung von bislang 4 auf künftig nur noch 2 Fahrstreifen für den motorisierten Individualverkehr in den Haupteinfallstraßen geträumt wird, und hierbei pauschal auf den ÖPNV und den Radverkehr als angebliches verkehrsplanerisches Allheilmittel verwiesen wird, ohne konkrete Pläne – geschweige denn umgesetzte Maßnahmen – für eine nachhaltige Angebotsverbesserung dieser Verkehrssektoren vorweisen zu können,  dann ist das ein Armutszeugnis für die Stadtverkehrsplaner !  
 
Auch das Dilemma, sich  für Luftreinhaltung vs. Verkehrsfluss entscheiden zu müssen, ist keine stichhaltige Begründung.  Die Luftreinhaltung ist in der Tat ein gravierendes, von der Politik zu lösendes Problem. Sich hierbei jedoch primär auf den Verursacher „Verkehr“ zu fokussieren – der nur für rd. 30% der Luftschadstoffe in der Stadt ursächlich ist – und Maßnahmen gegen die großen Schadstoffemittenten wie Industrie, Energieversorger und Haushalte (insbesondere Feinstaub aus Kaminen!) sträflich zu ignorieren, wie es die lokalpolitischen Entscheidungsgremien in Osnabrück leider praktizieren, hilft nicht wirklich weiter. Und selbst wenn man ausschließlich den Verkehr als Verursacher betrachtet: Staus erzeugen mehr Schadstoffe als fließender Verkehr!